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USV für die Dreambox

 

Frage:

Wie kann man seine Daten auf der Dreambox vor einem Stromunterbruch schützen?

Die Dreambox benutzt ja das Linux-Ext-Dateisystem, welches bekanntermassen empfindlich ist auf Stromausfall. Obwohl es sich beim neueren Ext4 um ein Journaling-Dateisystem handelt, welche prinzipiell weniger empfindlich sein sollten, gibt es etliche Berichte im Netz, dass auch so ein Dateisystem durch einen Stromunterbruch korrumpiert wurde. Wenn man viele Gigabytes und ev. Handyfilme dort gespeichert hat, kann dies sehr ärgerlich sein. Ich persönlich habe auch schon einen derben Verlust erlitten. Ich hatte zwar ein Backup von einem Monat zuvor, aber das fiese an diesem Fall war, dass die korrumpierte SSD nicht erkennbar kaputt war. Beim nächsten Monatsbackup waren nur noch 5% der Daten sichtbar, das Backupprogramm 'rsync' war leider dumm programmiert und brach den Vorgang trotz IO-Fehlern nicht ab, sondern löschte analog auf dem Backup (obwohl kein Schalter ' --ignore-errors' angegeben war). Nun war also auch noch mein Backup praktisch unbrauchbar. Sehr ärgerlich.

Antwort:

Ich habe bereits ein kaufbares USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung) für meinen PC im Einsatz, quasi eine Bleibatterie mit Inverter, aber da sich die Dreambox an einem anderen Ort befindet, wollte ich nicht auch da noch so eine grosse, komplizierte und teure Lösung. Die Dreambox braucht ja nur 12V Gleichstrom von max. 5 Ampère (60W). Kürzlich bin ich per Zufall im Netz über die extreme Leistungsfähigkeit der modernen Superkondensatoren gestolpert. Die sind mittlerweile auch sehr günstig zu kaufen. Da fiel mir gleich ein, ich könnte doch mal versuchen, für die Dreambox damit etwas Notstrom zur Verfügung zu stellen. 10 Sekunden würden bereits ausreichen, um die meisten kurzen Stromausfälle und damit Datenverluste zu vermeiden.

Auf Aliexpress fand ich so ein Supercap-Modul sehr günstig:

Detailangaben zum Modul:

Gemäss meinen Berechnungen sollte dessen Speicher für mind. 10 Sekunden reichen.

Als nächstes musste ein Schaltplan erstellt werden. Dies kam dabei heraus:

  • So ein Supercap Module hat einen sehr geringen Innenwiderstand. Man kann es also nicht direkt an die 12V-Stromversorgung anschliessen, es würde einen Kurschluss verursachen. Darum wurde auch eine 10-Ampère-Sicherung gleich am Eingang angebracht. Diese sollte man keinesfalls weglassen! Ohne die Sicherung kann so ein Modul problemlos Drähte zum Glühen bringen. Also auch vorsichtig beim Hantieren, und Kurzschlüsse vermeiden. Für den Menschen ist das Modul ungefährlich, dafür ist die Spannung zu klein. Das Modul hat auf seiner Platine noch eine Zusatz-Logik, welche die Kondensatoren vor Überspannung schützt. Ist für unseren Anwendungsfall aber irrelevant, da wir sowieso nicht mal in den Grenzbereich kommen. Das höchste, was wir mit dem Dreambox-Netzteil je sehen können, ist ca. 11.7 Volt.

  • Die bei mir im Einsatz befindliche DM900 hat ein 12V-Netzteil, das maximal 5A bringen kann. Man hat es also im Maximalfall mit 60 Watt zu tun. Die Drähte müssen also entsprechend genug dick sein. Pluspol des Steckers ist in der Mitte.

  • Die Dioden sind mit 10 Ampère absichtlich überdimensioniert, damit sie auch langfristig durchhalten und nicht besonders warm werden. Hier wurden Schottky-Dioden verwendet, aber "normale" Dioden funktionieren vermutlich auch. Jede Diode macht in Vorwärtsrichtung einen kleinen Spannungsabfall, ähnlich einem Widerstand. Schottky-Dioden machen nur ca. 0.5V während "normale" Dioden ca. 0.7V machen. Das heisst, dass man mehr Leistung aus der USV rauskriegt, wenn man Schottky-Dioden verwendet.

  • Die Dioden regeln den Stromfluss in den 2 Zuständen, die das USV haben kann:

    1. Eingangsstrom vorhanden: D2 liefert Strom direkt an die Box (mit 0.5V Abfall), D1 liefert Strom zu den Widerständen, die das Modul aufladen (dito). Der Test zeigte, dass der Adapter 12.2V lieferte, und die Box mit den restlichen 11.7V problemlos arbeiten konnte. Sogar noch mit viel weniger.

    2. Eingangsstrom weg: D3 liefert den Strom des Moduls direkt an die Box (leider auch mit 0.5V Abfall). D1 und D2 verhindern, dass Strom zurück ins Netzteil fliessen kann und verloren geht.

  • Die Widerstände sind grosse Leistungswiderstände für max. 10 Watt Leistung. Sie werden zur Begrenzung des Aufladestroms gebraucht. Die 4 x 20 Ω kann man als ein Modul mit 5 Ω Widerstand anschauen, das maximal 40 Watt Wärme abstrahlen kann. Bei 11.7V hinter der Diode fliessen da maximal 2.34 Ampère durch, also 27.4 Watt. Die 40 Watt sind also grosszügig dimensioniert. Diese Wärme wird aber nur während kurzer Zeit abgestrahlt, wenn die Supercaps noch total leer sind. Je mehr diese geladen sind desto weniger wird abgestrahlt. Im geladenen Fall gar nichts mehr.

Bau der Schaltung

Zuerst habe ich mal schnell einen Prototypen gebaut, um das ganze zu Testen:


Überraschung, das Ergebnis war besser als erwartet: Eine ganze Minute und 9 Sekunden konnte die Schaltung die Box mit Strom versorgen. Alles klar für einen Einbau in eine Schachtel. Das Resultat sah dann so aus:

Noch eine Sicherheitsüberlegung: Dieses USV ist nur für eine vereinzelte, selten vorkommende Aufladung gedacht, zB. nach einem Stromausfall. Wie oben erwähnt, kann ein paar Minuten lang ca. 10-25 Watt an Wärme abgestrahlt werden. In so einem geschlossenen Gehäuse aus Plastik sollte das nicht allzu oft hintereinander gemacht werden. Auch sollten die Kondensatoren nicht grosser Hitze ausgesetzt werden. Ich habe darum Messungen vorgenommen, um zu sehen, wie sich die Temperaturen und Ströme verhalten:

Aufladezeit Strom [A] Temperatur [°C] von Thermalkamera
30 s 0.75 41.1
1 min 0.74 46.1
2 min 0.47 47.5
3 min 0.40 47.0
4 min 0.24 43.8
5 min 0.15 39.6
6 min 0.10 36.7
7 min 0.08 36.2
8 min 0.07 35.4

Diese Daten wurden am offenen USV gemessen. Bei Klick auf die Temperatur kann man das Thermalbild sehen. Der Balken rechts zeigt die Maximal- und Minimaltemperatur im Bild an. Interessant daran ist, dass die Diode D1 das Element ist, das am wärmsten wird, und nicht etwa die Leistungswiderstände. Im Thermalbild ist also D1 für den Maximalwert im Balken rechts verantwortlich. Die maximale Temperatur von ca. 47.5 °C wird nach ca. 2 Minuten erreicht, danach geht es bereits wieder runter. Solche Temperaturen sind absolut kein Problem für alles im Innern des USV.

Damit man auch noch sehen kann, wie die Temperatur bei geschlossenem USV aussieht, habe ich es erneut aufgeladen und nach 5 Minuten den Deckel geöffnet. So sieht es dann aus. Leider war der Balken rechts nicht eingeschaltet, aber man sieht gut, dass kaum etwas warm ist.

Auch gut zu wissen: Das USV ist nach ca. 8 Minuten nahezu vollständig aufgeladen und bereit für den nächsten Stromausfall. Das gilt natürlich nur, wenn der vorherige Ausfall länger als 1 Minute 9 Sekunden war.

Generell wäre es besser, wenn eine Schachtel mit einem Metalldeckel verwendet würde, oder gleich die ganze Box aus Metall wäre. Die Widerstände und Dioden könnten dann daran festgemacht werden. Wie aber die Messdaten zeigen, ist das im Anwendungsfall als USV nicht nötig.

Man könnte die Schaltung auch direkt in die Dreambox einbauen. Da wäre das Wärmerisiko kleiner. Ein Problem sehe ich dort, an den Eingang der Stromversorgung ranzukommen und zu unterbrechen. Es wäre wohl einfacher, zwei Kabel mit einem männlichen und weiblichen Stecker rauszuführen und dann aussen alles anzustecken. Falls man dann in ein paar Jahren auf eine neue Box umsteigen möchte, müsste man die Schaltung halt wieder ausbauen und rübernehmen. Eine separate USV-Box ist da ein Vorteil. Zudem kann eine separate Box auch für andere Geräte mit 12V-Stromversorgung eingesetzt werden.

Disclaimer: Da ich kein Elektro-Ingenieur bin, sondern ein Software-Ingenieur, kann ich keinerlei Garantie für diese Konstruktion übernehmen! Man macht diesen Nachbau auf eigenes Risiko. Vielleicht gibt es sowas inzwischen auch im Handel, das würde ich vorher noch prüfen. Zur Zeit dieses Textes gab es dies jedenfalls nicht, und darum habe ich es selber gemacht. Basteln mit Elektronik macht mir auch Spass.

Benötigtes Material

  • 1 x Supercap-Modul für 13.5 V. Höhere Spannungen und jegliche andere Kapazitäten können auch verwendet werden ohne Veränderungen am Schaltplan.
  • 1 x Sicherung 10A irgendeiner Art. Ich habe einen "Sicherungshalter für Schalttafelmontage" verwendet, weil er als Pfosten zum Anlöten von Bauteilen dienen kann.
  • 3 x Dioden 10 A
  • 4 x Leistungswiderstand 10 W 20 Ω
  • 1 x Buchse für 12 V, 5.5 x 2.1mm, DC-022
  • 1 x Stecker für 12 V, 5.5 x 2.1mm, DC-022
  • Ca. 50 cm 5-Ampère-Kabel
  • 1 x Schachtel ca. 14 x 8 x 4 cm oder grösser. Besser wäre mit Metalldeckel oder ganz aus Metall.
  • Zum Fixieren des Supercap-Moduls und zur Zugentlastung der Kabel etwas Plastik- oder Heissleim.

Benötigte Werkzeuge

  • Lötkolben und Lötzinn
  • Bohrmaschine und Bohrer mit Durchmesser 4, 12 und 13 mm. Für 12 und 13 am besten einen Stufenbohrer nehmen.
  • Zange
  • Schraubenzieher Grösse 3
  • Optional einen Mini-Rollgabelschlüssel
  • Optional Schrumpfschlauch oder Isolierband.

Resultat

  • Ich war positiv überrascht: Das USV kann die eingeschaltete Box tatsächlich für 1 Minute 9 Sekunden am Laufen halten! Kann aber weniger sein, wenn man eine externe USB-Festplatte ohne separate Stromversorgung dran hat. In jedem Fall sind die 69 Sekunden mehr als genug, um sogar einen regulären Shutdown durchzuführen. Super! Ist die Box im Standby, zB. nachts, sollte sogar noch etwas mehr drin sein. Da die meisten Stromausfälle unter einer Minute lang sind, hat man gute Chancen, dass der Strom vorher wieder da ist.

  • Die Ausmasse sind sehr klein, was gut zu der kleinen Dreambox passt

  • Fehlfunktionen sind ausgeschlossen, anders als bei USVs mit Relais (wo man einen Klick hören kann). Ich hatte mal ein solches für den PC und war gar nicht begeistert davon. Als der Netzstrom schnell hintereinander ausfiel und wieder kam schaltete dieses USV den Ausgang ab und der PC war während dem Schreiben tot. Nicht lustig! Bei diesem USV hier ist die Umschaltzeit dank der Dioden praktisch Null. Egal was der Eingangsstrom für Kapriolen macht, der Ausgang bleibt konstant unter Strom, wie es auch sein sollte.

  • Das USV ist extrem langlebig und wartungsfrei. Beachten Sie, dass bei einer USV auf Bleibatteriebasis die Batterien etwa alle 3 Jahre ausgetauscht werden müssen. Das Atlas-USV ist viel bequemer, billiger und wirtschaftlicher.

  • Der Stromverbrauch des USV im vollgeladenen Zustand wäre bei maximaler Belastung des Netzteils 2.5 Watt. Da die Dreambox in der Praxis oft unter 50% davon bezieht, ist wohl so ca. 1 Watt eher der realistische Wert. Es ist also ein sehr ökonomisches Gerät.

  • Kosten sind supergünstig: Ca. 30 €/CHF.

Nachteile

Dieses USV löst kein automatisches Herunterfahren der Dreambox bei Stromausfall aus. Wenn man das will, muss man zu einem etliches teureren kommerziellen USV greifen.

Abwandlungen dieser Schaltung

  • Man kann die unveränderte Schaltung genauso auch mit viel grösseren Supercaps betreiben. Die Aufladezeit würde proportional zunehmen, und auch die Zeitdauer, für dies es Strom liefern kann.

  • Man kann anstelle des Aufladewiderstandes von 5 Ω (4 x 20 Ω parallel) auch wesentlich grössere Widerstände verwenden. Dadurch wird die Wärmeabgabe reduziert, aber das Aufladen dauert ensprechend länger. Beispiel: Man könnte einen 100 Ω Leistungswiderstand verwenden. Dann wäre der Aufladestrom 110 mA und der Widerstand müsste ca. 1.3 Watt an Wärme abgeben können. Also wäre wohl ein einzelner 100 Ω / 3 Watt-Widerstand das richtige. Das USV wäre dann nach ca. 54 Minuten voll geladen. Das hätte keinerlei Auswirkungen auf die Strom-Lieferdauer.

Wenn man noch keine Dreambox hat

Die Dreambox wurde mehrere Jahre lang als die beste Box für das Schauen von Live-TV mit Aufnahmefunktion und Abspielen von Videos jedwelchen Formats gekürt. Die Kosten sind mit weniger als 400 €/CHF gering. Wir lieben diese Box, sie ist extrem gut konfigurierbar. Zur Ergänzung der Filme mit Untertiteln haben wir deshalb auch die Software Atlas Subtitler programmiert. Sie ist inzwischen auf mehr als 1500 PCs weltweit installiert. Auf dieser Seite hier steht eine Anleitung, wie man eine Dreambox von Grund auf in Betrieb nimmt.

Goldener Tipp

Wie oben schon erwähnt, hatte ich mal alle Daten auf meiner 2 TB-SSD durch ein korrumpiertes Dateisystem verloren. Dies passierte nach einem ca. 1 Sekunde andauernden Stromausfall verursacht durch einen Blitz. Um dies abzumildern sollte man speziell auch ohne USV dies machen: Ein Befehlszeilenfenster öffnen (zB. mit Windows-App 'Tera Term' oder Android App 'JuiceSSH') und diesen Befehl eingeben:

tune2fs -c 1 /dev/sda1

Dies aktiviert, dass bei jedem Booten der Box das eingebaute Laufwerk einen Selbsttest mit Reparatur durchführt.

Schade, dass mich niemand zuvor auf dies aufmerksam gemacht hatte. Vielleicht hätte es meine Daten gerettet. Darum erwähne ich es hier explizit.

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